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- Wenn
Sie schon lange kein Märchen mehr gelesen haben,
- holen
Sie das doch jetzt hier einfach mal nach!
- Auch
gut zum Vorlesen vor Kindern geeignet
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- Die
Chinesische Nachtigall
- Ein
Märchen von Hans-Christian Andersen
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- Dieses
wenig bekannte Märchen von Hans Christian Andersen (geb.
1805 in Dänemark) handelt
vom "Widerstreit" einer mechanischen/künstlichen
von Menschenhand geschaffenen Nachtigall und deren Gesang,
sowie dem originalen Gesang einer richtigen lebendigen
Nachtigall.
- Hier
stehen sich also die künstliche und die lebendige Nachtigall
mit ihrem Können gegenüber.
- Kann
mechanische Musik wie originale lebendige Musik empfunden
werden?
- Der
Kaiser ist eine Zeit lang mit seinem künstlichen Vogel
sehr zufrieden, am Ende siegt dann aber doch die lebendige
Nachtigall.
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- Andersen hebt hier - wie in vielen seiner
168 Volksmärchen - den moralischen Zeigefinger.
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- In
China, weißt du ja wohl, ist der Kaiser ein Chinese,
und alle, die er um sich hat, sind Chinesen. Es ist
nun viele Jahre her, aber gerade deshalb ist es wert,
die Geschichte zu hören, ehe sie vergessen wird.
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- Des
Kaisers Schloss war das prächtigste der Welt, ganz und
gar von feinem Porzellan, so kostbar, aber so spröde,
so misslich daran zu rühren, dass man sich ordentlich
in acht nehmen musste.
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- Im
Garten sah man die wunderbarsten Blumen, und an die
allerprächtigsten waren Silberglocken gebunden, die
erklangen, damit man nicht vorbeigehen möchte, ohne
die Blumen zu bemerken.
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- Ja,
alles war in des Kaisers Garten fein ausgedacht, und
er erstreckte sich so weit, dass der Gärtner selbst
das Ende nicht kannte; ging man immer weiter, so kam
man in den herrlichsten Wald mit hohen Bäumen und tiefen
Seen.
- Der
Wald ging gerade hinunter bis zum Meere, das blau und
tief war. Große Schiffe konnten unter den Zweigen hinsegeln,
und in diesen wohnte eine Nachtigall, die so
herrlich sang, dass selbst der arme Fischer, der soviel
anderes zu tun hatte, stillhielt und horchte wenn er
nachts ausgefahren war, um das Fischnetz aufzuziehen.
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- "Ach
Gott, wie ist das schön!" sagte er, aber dann musste
er auf sein Netz Acht geben und vergaß den Vogel. Doch
wenn dieser in der nächsten Nacht wieder sang und der
Fischer dorthin kam, sagte er wieder: "Ach Gott,
wie ist das doch schön!"
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- Von
allen Ländern kamen Reisende nach der Stadt des Kaisers
und bewunderten sie, das Schloss und den Garten. Doch
wenn sie die Nachtigall zu hören bekamen, sagten sie
alle:
- "Das
ist doch das Beste!"
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- Die
Reisenden erzählten davon, wenn sie nach Hause kamen,
und die Gelehrten schrieben viele Bücher über die Stadt,
das Schloss und den Garten, aber die Nachtigall vergaßen
sie nicht. Sie wurde am höchsten gestellt und die,
welche dichten konnten, schrieben die herrlichsten Gedichte
über die Nachtigall im Walde bei dem tiefen See.
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- Die
Bücher durchliefen die Welt, und einige kamen dann auch
einmal zum Kaiser. Er saß in seinem goldenen Stuhl las und las, jeden Augenblick nickte er mit dem Kopfe,
denn er freute sich über die prächtigen Beschreibungen
der Stadt, des Schlosses und des Gartens. "Aber
die Nachtigall ist doch das Allerbeste!" stand
da geschrieben.
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- "Was
ist das?" fragte der Kaiser. "Die Nachtigall
kenne ich ja gar nicht! Ist ein solcher Vogel hier in
meinem Kaiserreiche und sogar in meinem Garten? Das
habe ich nie gehört. So etwas soll man erst aus Büchern
erfahren?" Da rief er seinen Haushofmeister.
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- "Hier
soll ja ein höchst merkwürdiger Vogel sein, der Nachtigall
genannt wird!" sagte der Kaiser. "Man spricht,
dies sei das Allerbeste in meinem großen Reich! Weshalb
hat man mir nie etwas davon gesagt?"
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- "Ich
habe ihn früher nie nennen hören", sagte der Haushofmeister.
- "Er ist nie bei Hofe vorgestellt worden!"
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- "Ich
will, dass er heute Abend herkomme und vor mir singe!"
sagte der Kaiser. "Die ganze Welt weiß, was ich
habe, und ich weiß es nicht!"
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- "Ich
habe ihn früher nie nennen hören!" sagte der Haushofmeister.
"Ich werde ihn suchen, ich werde ihn finden!"
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- Aber
wo war er zu finden? Der Haushofmeister lief alle Treppen
auf und nieder, durch Säle und Gänge, keiner von allen
denen, auf die er traf, hatte von der Nachtigall sprechen
hören.
- Und der Haushofmeister lief wieder zum Kaiser
und sagte, dass es sicher eine Fabel von denen sei,
die da Bücher schreiben.
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- "Dero Kaiserliche Majestät
können gar nicht glauben, was da alles geschrieben wird.
Das sind bestimmt Erdichtungen und etwas, was man die schwarze
Kunst nennt!"
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- "Aber
das Buch, in dem ich dieses gelesen habe", sagte
der Kaiser, "ist mir von dem großmächtigen Kaiser
von Japan gesandt, also kann es keine Unwahrheit sein.
- Ich will die Nachtigall hören. Sie muss heute Abend
hier sein! Sie hat meine höchste Gnade! Und kommt sie
nicht, so soll dem ganzen Hof auf den Leib getrampelt
werden, wenn er Abendbrot gegessen hat!"
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- "Tsing-pe!"
sagte der Haushofmeister und lief wieder alle Treppen
auf und nieder, durch alle Säle und Gänge. Der halbe
Hof lief mit, denn sie wollten nicht gern auf den Leib
getrampelt werden. Da gab es ein Fragen nach der merkwürdigen
Nachtigall, die von aller Welt gekannt war, nur von
niemand bei Hofe.
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- Endlich
trafen sie ein kleines, armes Mädchen in der Küche.
Sie sagte:
- Oh Gott, die Nachtigall, die kenne ich
gut, ja, wie kann die singen!
- Jeden Abend habe ich die
Erlaubnis, meiner armen, kranken Mutter einige Überbleibsel
vom Tische mit nach Hause zu bringen. Sie wohnt unten
am Strande, wenn ich dann zurückgehe, müde bin und im
Walde ausruhe, höre ich Nachtigall singen. Es kommt
mir dabei das Wasser in die Augen, und es ist gerade,
als ob meine Mutter mich küsste!"
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- "Kleine
Köchin", sagte der Haushofmeister, "ich werde
dir eine feste Anstellung in der Küche und die Erlaubnis,
den Kaiser speisen zu sehen, verschaffen, wenn du uns
zur Nachtigall führen kannst. Denn sie ist zu heute
Abend angesagt."
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- So
zogen sie allesamt hinaus in den Wald, wo die Nachtigall
zu singen pflegte. Der halbe Hof war mit. Als sie im
besten Zuge waren, fing eine Kuh zu brüllen an.
- "Oh!"
sagten die Hofjunker, "nun haben wir sie; das ist
doch eine merkwürdige Kraft in einem so kleinen Tiere!
Die habe ich sicher schon früher gehört!"
- "Nein,
das sind Kühe, die brüllen!" sagte die kleine Köchin.
"Wir sind noch weit von dem Orte entfernt!"
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- Nun
quakten die Frösche im Sumpf.
- "Herrlich!"
sagte der chinesische Schlosspropst. "Nun höre
ich sie, es klingt gerade wie kleine Tempelglocken."
- "Nein,
das sind Frösche!" sagte die kleine Köchin. "Aber
nun, denke ich werden wir sie bald hören!"
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- Da
begann die Nachtigall zu singen.
- "Das
ist sie", sagte das kleine Mädchen. "Hört,
hört! Und da sitzt sie!" Sie zeigte nach einem
kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen.
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- "Ist
es möglich?" sagte der Haushofmeister. "So
hätte ich sie mir nimmer gedacht; wie einfach sie aussieht!
Sie hat sicher ihre Farbe darüber verloren, dass sie
so viele vornehme Menschen um sich erblickt!"
- "Kleine
Nachtigall", rief die kleine Köchin ganz laut,
"unser gnädigste Kaiser will, dass Sie vor ihm
singen möchten!"
- "Mit
dem größten Vergnügen", sagte die Nachtigall und
sang dann, dass es eine Lust war.
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- "Es
ist gerade wie Glasglocken!" sagte der Haushofmeister.
"Und seht die kleine Kehle, wie sie arbeitet! Es
ist merkwürdig, dass wir sie früher nie gesehen haben;
sie wird großes Aufsehen bei Hofe machen!"
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- "Soll
ich noch einmal vor dem Kaiser singen?" fragte
die Nachtigall, die glaubte, der Kaiser sei auch da.
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- "Meine
vortreffliche, kleine Nachtigall", sagte der Haushofmeister,
"ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste
heute Abend einzuladen, wo Sie dero hohe Kaiserliche
Gnaden mit Ihrem prächtigen Gesange bezaubern werden!"
- "Der
nimmt sich am besten im Grünen aus!" sagte die
Nachtigall, aber sie kam doch gern mit, als sie hörte,
dass der Kaiser es wünschte.
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- Auf
dem Schlosse war alles aufgeputzt. Wände und Fußboden,
die von Porzellan waren, glänzten im Strahl vieler
tausend goldener Lampen, und die prächtigsten Blumen,
die recht klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt.
Da war ein Laufen und ein Zugwind, aber alle Glocken
klingelten so, dass man sein eigenes Wort nicht hören
konnte.
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- Mitten
in dem großen Saal, wo der Kaiser saß, war ein goldener
Stab hingestellt, auf dem sollte die Nachtigall sitzen.
Der ganze Hof war da, und die kleine Köchin hatte die
Erlaubnis erhalten, hinter der Tür zu stehen, da sie
nun den Titel einer wirklichen Hofköchin bekommen hatte.
Alle waren in ihrem größten Staate, und alle sahen nach
dem kleinen, grauen Vogel, dem der Kaiser zunickte.
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- Die
Nachtigall sang so herrlich, dass dem Kaiser die Tränen
in die Augen traten, die Tränen liefen ihm über die
Wangen hernieder, und da sang die Nachtigall noch schöner.
Das ging recht zu Herzen.
- Der Kaiser war sehr erfreut
und sagte, dass die Nachtigall einen goldenen Pantoffel
um den Hals tragen solle. Aber die Nachtigall dankte,
sie habe schon Belohnung genug erhalten.
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- "Ich
habe Tränen in des Kaisers Augen gesehen, das ist mir
der reichste Schatz! Gott weiß es, ich bin genug belohnt!"
Und darauf sang sie wieder mit ihrer süßen, herrlichen
Stimme.
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- Sie
sollte nun bei Hofe bleiben, ihren eigenen Käfig haben,
samt der Freiheit, zweimal des Tages und einmal des
Nachts herauszuspazieren. Sie bekam zwölf Diener mit,
die ihr ein Seidenband um das Bein geschlungen hatten,
woran sie sie festhielten. Es war durchaus kein Vergnügen
bei solchem Ausflug.
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- Eines
Tages erhielt der Kaiser aber eine Kiste, auf der geschrieben
stand: "Die Nachtigall."
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- "Da
haben wir nun ein neues Buch über unseren berühmten
Vogel!" sagte der Kaiser. Aber es war kein Buch,
es war ein Kunststück, das in einer Schachtel lag, eine
künstliche Nachtigall, die der lebenden gleichen
sollte, aber überall mit Diamanten, Rubinen und Saphiren
besetzt war.
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- Sobald
man den künstlichen Vogel aufzog, konnte er eins der
Stücke, singen, und dann bewegte
sich der Schweif auf und nieder und glänzte von Silber
und Gold. Um den Hals hing ein kleines Band, und darauf
stand geschrieben:
- "Des
Kaisers von Japan Nachtigall ist arm gegen die des Kaisers
von China."
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- "Das
ist herrlich!" sagten alle, und der Mann, der den
künstlichen Vogel gebracht hatte, erhielt sogleich den
Titel:
- Kaiserlicher Oberhofnachtigallbringer.
- "Nun
müssen sie zusammen singen! Was wird das für ein Genuss
werden!"
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- Sie
mussten zusammen singen, aber es wollte nicht recht
gehen, denn die wirkliche Nachtigall sang auf ihre Weise,
und der Kunstvogel ging auf Walzen.
- "Der
hat keine Schuld", sagte der Spielmeister. "Der
ist besonders taktfest und ganz nach meiner Schule!"
Nun sollte der Kunstvogel allein singen. Er machte ebenso
viel Glück wie der wirkliche. Und dann war er viel niedlicher
anzusehen. Er glänzte wie Armbänder und Brustnadeln.
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- Dreiunddreißigmal
sang er ein und dasselbe Stück und war doch nicht müde.
Die Leute hätten ihn gern wieder von vorn gehört, aber
der Kaiser meinte, dass nun auch die lebendige Nachtigall
etwas singen solle.
- Aber
wo war die? Niemand hatte bemerkt, dass sie aus dem
offenen Fenster fort zu ihren grünen Wäldern geflogen
war.
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- "Aber
was ist denn das?" fragte der Kaiser. Alle
Hofleute schalten und meinten, dass die Nachtigall ein
höchst undankbares Tier sei. "Den besten Vogel
haben wir doch!" sagten sie, und so musste der
Kunstvogel wieder singen.
- Das war das vierunddreißigste
Mal, dass sie dasselbe Stück zu hören bekamen, aber
sie konnten es noch nicht ganz auswendig, denn es war
sehr schwer.
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- Der
Spielmeister lobte den Vogel außerordentlich, ja, er
versicherte, dass er besser als die wirkliche Nachtigall
sei, nicht nur was die Kleider und die vielen herrlichen
Diamanten betreffe, sondern auch innerlich.
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- "Denn
sehen Sie, meine Herrschaften, der Kaiser vor allen!
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- Bei der wirklichen Nachtigall kann man nie berechnen,
was da kommen wird, aber bei dem Kunstvogel ist
alles bestimmt. Man kann es erklären, man kann ihn aufmachen
und das menschliche Denken zeigen, wie die Walzen liegen,
wie sie gehen und wie das eine aus dem andern folgt!"
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- "Das
sind ganz unsere Gedanken!" sagten sie alle, und
der Spielmeister erhielt die Erlaubnis, am nächsten
Sonntag den Vogel dem Volke vorzuzeigen.
- Es
sollte ihn auch singen hören, befahl der Kaiser. Und
es hörte ihn, und es wurde so vergnügt, als ob es sich
im Tee berauscht hätte, denn das ist ganz chinesisch.
Da sagten alle: "Oh!" und hielten den
Zeigefinger in die Höhe und nickten dazu.
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- Aber
die armen Fischer, welche die wirkliche Nachtigall gehört
hatten, sagten: "Es klingt hübsch, die Melodien
gleichen sich auch, aber es fehlt etwas, wir wissen
nicht was!"
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- Die
wirkliche Nachtigall ward aus dem Lande und Reiche verwiesen.
- Der
Kunstvogel hatte seinen Platz auf einem seidenen Kissen
dicht bei des Kaisers Bett. Alle Geschenke die er erhalten
hatte,
Gold und Edelsteine, lagen rings um ihn her. Und im
Titel war er zu einem 'Hochkaiserlichen Nachttischsänger'
gestiegen.
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- So
ging es ein ganzes Jahr. Der Kaiser, der Hof und alle
die übrigen Chinesen konnten jeden kleinen Kluck in
des Kunstvogels Gesang auswendig, aber gerade deshalb
gefiel er ihnen jetzt am allerbesten. Sie konnten selbst
mitsingen, und das taten sie.
- Die
Straßenbuben sangen "Ziziiz! Kluckkluckkluck!"
und der Kaiser sang es. Ja, das war gewiss prächtig!
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- Aber
eines Abends, als der Kunstvogel am besten sang
und der Kaiser im Bette lag und darauf hörte, sagte
es "Schwupp" inwendig im Vogel; da sprang
etwas. "Schnurrrr!" Alle Räder liefen herum,
und dann stand die Musik still.
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- Der
Kaiser sprang gleich aus dem Bette und ließ seinen Leibarzt
rufen. Aber was konnte der helfen?
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- Dann ließen sie den
Uhrmacher holen, und nach vielem Sprechen und Nachsehen
brachte er den Vogel etwas in Ordnung, aber er sagte,
dass er sehr geschont werden müsse, denn die Zapfen
seien abgenutzt, und es sei unmöglich, neue so einzusetzen,
dass die Musik sicher gehe.
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- Das
war nun eine große Trauer!
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- Nur einmal des Jahres durfte
man den Kunstvogel nur noch singen lassen, und das war fast schon
zuviel. Aber dann hielt der Spielmeister eine kleine
Rede mit schweren Worten und sagte, dass es ebenso gut
wie früher sei, und dann war es ebenso gut wie früher.
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- Nun
waren fünf Jahre vergangen, und das ganze Land bekam
eine wirkliche große Trauer. Die Chinesen hielten im
Grunde allesamt große Stücke auf ihren Kaiser, und jetzt
war er krank und konnte nicht länger leben.
- Schon war
ein neuer Kaiser gewählt, und das Volk stand draußen
auf der Straße und fragte den Haushofmeister, wie es
seinem alten Kaiser gehe.
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- Kalt
und bleich lag der Kaiser in seinem großen prächtigen
Bett. Der ganze Hof glaubte ihn tot, und ein jeder lief,
den neuen Kaiser zu begrüßen. Die Kammerdiener liefen
hinaus, um darüber zu sprechen. Und die Kammermädchen
hatten große Kaffeegesellschaft.
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- Ringsumher
in allen Sälen und Gängen war Tuch ausgelegt, damit man
niemand gehen höre, deshalb war es sehr still. Aber
der Kaiser war noch nicht tot. Steif und bleich lag
er in dem prächtigen Bette mit den langen Samtvorhängen
und den schweren Goldquasten. Hoch oben stand ein Fenster
auf und der Mond schien herein auf den Kaiser und den
Kunstvogel.
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- Der
arme Kaiser konnte kaum atmen, es war gerade, als ob
etwas auf seiner Brust säße. Er schlug die Augen auf,
und da sah er, dass es der Tod war.
- Er hatte sich eine
goldene Krone aufgesetzt und hielt in der einen Hand
des Kaisers goldenen Säbel, in der andern seine prächtige
Fahne. Ringsumher aus den Falten der großen Samtbettvorhänge
sahen allerlei wunderliche Köpfe hervor. Einige ganz
hässlich, andere lieblich und mild. Das waren des Kaisers
gute und böse Taten die ihn anblickten, jetzt, da
der Tod ihm auf dem Herzen saß.
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- "Entsinnst
du dich dessen?" Und dann erzählten sie ihm so
viel, dass ihm der Schweiß von der Stirne rann.
- "Das
habe ich nie gewusst!" sagte der Kaiser. "Musik,
Musik, die große chinesische Trommel" rief er.
"Damit ich nicht alles zu hören brauche, was sie
sagen!"
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- Aber
sie fuhren fort, und der Tod nickte wie ein Chinese
zu allem, was gesagt wurde. "Musik, Musik!"
schrie der Kaiser. "Du kleiner herrlicher Goldvogel,
singe doch, singe doch!
- Ich
habe dir Gold und Kostbarkeiten gegeben, ich habe dir
selbst meinen goldenen Pantoffel um den Hals gehängt,
singe doch, singe!"
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- Aber
der Vogel stand still, es war niemand da, um ihn aufzuziehen.
Sonst sang er nicht, und der Tod fuhr fort, den Kaiser
mit seinen großen leeren Augenhöhlen anzustarren, es war still, erschrecklich still.
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- Da
klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang.
Es war die kleine, lebendige Nachtigall, die auf einem
Zweige draußen saß.
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- Sie hatte von der Not ihres Kaisers
gehört und war deshalb gekommen, ihm Trost und Hoffnung
zu singen. Und so wie sie sang, wurden die Gespenster
bleicher und bleicher, das Blut kam immer rascher und
rascher in des Kaisers schwachen Gliedern in Bewegung.
Selbst der Tod horchte und sagte: "Fahre fort,
kleine Nachtigall! Fahre fort!"
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- "Ja,
willst du mir den prächtigen, goldenen Säbel geben?
Willst du mir die reiche Fahne geben? Willst du mir
des Kaisers Krone geben?"
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- Der
Tod gab jedes Kleinod für einen Gesang, und die Nachtigall
fuhr fort zu singen. Sie sang von dem stillen Gottesacker,
wo die weißen Rosen wachsen, wo der Flieder duftet und
wo das frische Gras von den Tränen der Überlebenden
befeuchtet wird.
- Da bekam der Tod Sehnsucht nach seinem
Garten und schwebte wie ein kalter, weißer Nebel aus
dem Fenster.
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- "Dank,
Dank!" sagte der Kaiser, "du himmlischer,
kleiner Vogel, ich kenne dich wohl! Dich habe ich aus
meinem Lande und Reich gejagt, und doch hast du die
bösen Geister von meinem Bette weggesungen, den Tod
von meinem Herzen weggeschafft! Wie kann ich dich belohnen?"
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- "Du
hast mich belohnt!" sagte die Nachtigall. "Ich
habe deinen Augen Tränen entlockt, als ich das erstemal
sang, das vergesse ich nie. Das sind die Juwelen, die
ein Sängerherz erfreuen. Aber schlafe nun und werde
stark, ich werde dir vorsingen!"
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- Sie
sang, und der Kaiser fiel in süßen Schlummer, mild und
wohltuend war der Schlaf!
- Die
Sonne schien durch das Fenster herein, als er gestärkt
und gesund erwachte. Keiner von seinen Dienern war noch
zurückgekehrt; denn sie glaubten, er sei tot.
- Aber die
Nachtigall saß noch und sang.
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- "Immer
musst du bei mir bleiben!" sagte der Kaiser. "Du
sollst nur singen, wenn du selbst willst, und den Kunstvogel
schlage ich in tausend Stücke."
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- "Tue
das nicht",
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- sagte die Nachtigall,
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- "der
hat ja das Gute
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- getan
solange er
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- konnte, behalte ihn
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- wie bisher.
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- Ich kann nicht nisten und wohnen im Schloss,
aber lass mich kommen, wenn ich selbst Lust habe. Da
will ich des Abends dort beim Fenster sitzen und dir
vorsingen, damit du froh und gedankenvoll
zugleich werden kannst.
- Ich
werde von den Glücklichen singen und von denen, die
da leiden. Ich werde vom Bösen und Guten singen. Aber
eins musst du mir versprechen!"
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- "Alles!"
sagte der Kaiser und stand da in seiner kaiserlichen
Tracht, die er angelegt hatte, und drückte den Säbel,
der schwer von Gold war, an sein Herz.
- "Um eins
bitte ich dich. Erzähle niemand, dass du einen kleinen
Vogel hast, der dir alles sagt, dann wird es noch besser
gehen!"
- So
flog die Nachtigall fort.
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- Die
Diener kamen herein, um nach ihrem toten Kaiser zu sehen.
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- Ja, da standen sie, und der Kaiser sagte: "Guten
Morgen!"
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